Die vier Phasen klinischer Arzneimittelstudien

Vor ihrer Zulassung müssen neue Medikamente eine Reihe von Tests durchlaufen, in denen sie auf Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Nebenwirkungen geprüft werden. Der Erprobung eines neuen Wirkstoffs am Menschen im Rahmen einer klinischen Studie gehen präklinische Forschungen voraus: Dabei werden mithilfe verschiedener Labortests die Wirkungsweise des neuen Arzneimittels und sein Einfluss auf den menschlichen Organismus untersucht. Besonderes Augenmerk wird auf eventuell auftretende Nebenwirkungen gelegt, außerdem liefern die Tests erste Aufschlüsse über die mögliche Dosierung. Stellt sich ein neues Medikament in der Laborprüfung als erfolgversprechend und sicher heraus, schließt sich eine aus vier Phasen bestehende klinische Arzneimittelstudie an.

Phase-I-Studie: Verträglichkeit und Sicherheit

In der ersten Phase der Studie wird der neue Wirkstoff erstmals an Menschen getestet. Die Versuchspersonen, auch Probanden genannt, sind in der Regel jung und gesund – nur selten wird das zu prüfende Medikament in dieser Phase bereits bei kranken Menschen eingesetzt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn für diese Krankheit kein wirksames Arzneimittel zur Verfügung steht oder sein Einfluss auf eine bestimmte Erkrankung erprobt werden soll. Die erste Phase der klinischen Studie dient vor allem dazu, Verträglichkeit und Sicherheit des neuen Medikaments zu testen. Es wird überprüft, welche Organe und Vorgänge im Körper der Wirkstoff beeinflusst, wie konzentriert er im Blut nachweisbar ist und wie schnell ihn der Organismus ausscheidet. Aus diesen gesammelten Daten kann die mögliche Dosierung des neuen Präparates abgeleitet werden, außerdem ergeben sich Rückschlüsse, in welcher Darreichungsform der Wirkstoff am schnellsten und zuverlässigsten aufgenommen wird. In dieser Wochen bis Monate dauernden Phase der Studie wird das Medikament an etwa 20 bis 80 freiwilligen Testpersonen erprobt. Da die Wirkung auf den menschlichen Körper zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher abzuschätzen ist, werden sie intensiv und engmaschig überwacht.

Phase-II-Studie: Wirksamkeit und Dosierung

In der zweiten Phase der klinischen Studie wird das Arzneimittel erstmals an Patienten getestet, die an der Zielerkrankung des Medikamentes leiden. Dabei wird vor allem untersucht, ob die gewünschte Wirkung eintritt und wie verträglich das Arzneimittel ist. Neben der Überprüfung der aus Phase I gewonnenen Erkenntnisse dient dieser Abschnitt der Studie vor allem dazu, die Dosierung des Wirkstoffs zu optimieren: Sie wird deshalb auch „Dosisfindungsstudie“ genannt. An einer Phase-II-Studie nehmen etwa 100 bis 500 freiwillige Testpersonen teil, sie dauert in der Regel einige Monate. Wie in der ersten Phase werden die Teilnehmer sorgfältig überwacht, beim Auftreten unerwünschter Wirkungen kann die Behandlung sofort abgebrochen werden. Nach erfolgreichem Abschluss geht die Studie in die dritte Phase über.

Phase-III-Studie: Wirksamkeit und Sicherheit

Die dritte Phase der Studie findet unter praxisnahen Bedingungen statt. An ihr nehmen etwa 200 bis 10.000 Patienten teil, die nach streng festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien ausgewählt werden. In dieser Phase gesammelte Daten bilden die Grundlage für eine spätere Zulassung des neuen Medikaments. Im Vordergrund steht die Überprüfung der Wirksamkeit an einer großen Gruppe von Patienten, zudem werden Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und die Häufigkeit von Nebenwirkungen ermittelt. Meist werden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt: Eine erhält das neue Präparat, die andere ein bereits auf dem Markt befindliches Standardmedikament oder ein wirkungsloses Scheinmedikament (Placebo). Die Aufteilung der Patienten erfolgt in der Regel nach dem Zufallsprinzip, man spricht dann von einer randomisierten kontrollierten Studie. Bei einer Doppelblindstudie wissen bis zum Abschluss der Untersuchung weder die behandelnden Ärzte noch die Patienten, wer mit dem neuen Wirkstoff behandelt wurde. Die Zulassung kann das neue Medikament nur erhalten, wenn die aus diesen Vergleichsstudien hervorgehenden Daten im Hinblick auf Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Nutzen-Risiko-Verhältnis überzeugende Ergebnisse liefern. Eine Phase-III-Studie dauert im Allgemeinen mehrere Monate bis einige Jahre – nach erfolgreichem Abschluss wird ein Antrag auf Zulassung des Präparates beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gestellt. Nach erteilter Genehmigung kann das Medikament verschrieben und verkauft werden.

Phase-IV-Studie: weitere Überprüfung nach der Zulassung

In der vierten Phase der klinischen Arzneimittelstudie wird überprüft, wie sich das bereits zugelassene Medikament im Praxisalltag bewährt. Eine Phase-IV-Studie läuft für gewöhnlich über Jahre und umfasst einige tausend Teilnehmer. Das Arzneimittel steht nun auch Patienten zur Verfügung, die vorher aufgrund der strengen Kriterien von der Studie ausgeschlossen waren: Dazu zählen etwa Kinder, ältere Menschen und Personen, die an mehreren Krankheiten leiden und verschiedene Medikamente einnehmen müssen. Hauptziel dieser Studienphase ist es, die therapeutische Wirkung an einer sehr umfangreichen Patientengruppe zu bestätigen. Dabei können auch seltene Nebenwirkungen und bisher unbekannte Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln ausgeforscht werden. Daneben liefern die gewonnenen Daten Erkenntnisse über eventuelle Risiken bei einer längerfristigen Anwendung und den möglichen Einsatz bei anderen Krankheitsbildern.

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